ROCK IN VIENNA – 4. bis 6. Juni 2015

 

Vom 4. bis zum 6. Juni ging auf der Wiener Donauinsel das erste Rock in Vienna Festival über die Bühne. Es war, soviel vorweg, eine gelungene Premiere, die im Vorfeld viel Staub aufgewirbelt hatte. Nicht nur weil es das erste richtige Rock-Festival der österreichischen Bundeshauptstadt war, sondern weil es von einigen als direkte Konkurrenzveranstaltung zum nur eine Woche später stattfindenden Nova Rock empfunden wurde. Kein Wunder, dass heimische Tages-  und Wochenzeitungen dem Event viel Aufmerksamkeit gewidmet hatten, und ausführlich darüber berichteten. (Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)

 

(Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)



Der Startschuss für Wiens erstes Rock-Festival fiel auf den 4. Juni, just jenen Tag, an dem sich die Flucht von Sigmund Freud vor den Nationalsozialisten jährte. Und so zierte das Konterfei des Begründers der Psychoanalyse auch die sogenannte Mindstage. Gustav Klimts Adele mit ihren explodierenden goldenen Ornamenten fand hingegen ihren Weg auf die größere Soulstage. Ein gelungenes Design-Element, das auch einen geographischen bzw. kulturellen Bezug zur österreichischen Bundeshauptstadt herstellte.

 

Bandmäßig ließen die Veranstalter nichts anbrennen, und verpflichteten einige der größten Namen des Genres für das Event. Zu den Highlights zählten die Auftritte von MUSE, INCUBUS, THE HIVES, AIRBOURNE und KISS, die an drei Tagen rund 80.000 Besucher auf der Donauinsel beschallten. Zwar hatte man anfangs noch mit 50.000 Fans pro Tag gerechnet, aber auch so zeigte sich der Veranstalter, die Deutsche Entertainment AG (Deag), Medienberichten zufolge mit der Premiere zufrieden.

 

(Photos: Florian Matzhold/Rock in Vienna)
 


Das Angebot von Bands ließ fast keine Wünsche offen. Zu den Highlights des ersten Tages zählten bereits am frühen Nachmittag die Auftritte der französischen Death-Metal Band GOJIRA, und der Bay Area Thrash-Urgesteine TESTAMENT, die bereits im ersten Teil des Programmes ordentlich Dampf machten.

 

(Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)

(Photo: Richman)



Nachdem man auf der persönlichen Liste einen Haken unter das Kästchen BODY COUNT einmal live gesehen zu haben machen konnte, war die Spannung groß, wie FAITH NO MORE sich nach ihrem jüngsten "Sol Invictus" Comeback live machen würden. Die Erwartungen waren hoch gesteckt, hatte der Rezensent die Band doch am Zenit ihres Schaffens im Jahre 1995 in München als Headliner im Olympiastadion live erleben dürfen.

 

Dass dieses unvergessliche Konzerterlebnis nicht erreicht werden würde, davon hatte man fast ausgehen müssen. Aber auch so konnte der Auftritt der Crossover-Veteranen gefallen, die in ihrem Lederhosenoutfit und der kultigen Blumendeko gut und gerne als Andreas Gabaliers Backingband durchgehen hätten können.

 

FAITH NO MORE rund um Ausnahmekünstler Mike Patton machten live eine gute, wenn auch keine überragende Figur. Die vier Kompositionen des neuen Albums "Sol Invictus" reihten sich geschmeidig in die Reihe der Klassiker ein, aber vermisst wurden dann doch Songs wie „Sunny Side Up“ oder Smash Hits wie „From Out Of Nowhere“, wie sie zum Beispiel beim Rockavaria nur wenige Tage zuvor dargeboten wurden. Wir freuen uns dennoch über das Comeback, und zollen Mike Patton unseren Respekt - ist und bleibt er doch einer der innovativsten Gesangskünstler unserer Tage.

 

Setlist FAITH NO MORE

Motherfucker
Be Aggressive
Caffeine
Evidence
Epic
Black Friday
Surprise! You're Dead!
Midlife Crisis
Spirit
The Gentle Art of Making Enemies
Easy
Last Cup of Sorrow
Matador
Ashes to Ashes
Superhero

 

(Photos: Florian Matzhold/Rock in Vienna)



METALLICA muss ja zugute gehalten werden, dass sie ungeachtet ihrer fast schon inflationären Tourneetätigkeit immer wieder bemüht sind, sich etwas Neues einfallen zu lassen. So wird beispielsweise gerne die Setlist verändert, oder einer Hundertschaft an Fans die Möglichkeit geboten, das Konzert hautnah und gemeinsam mit der Band auf der Bühne mitzuerleben. Letzteres ist eine besonders originelle Art und Weise, sich bei den Fans für ihre Treue zu bedanken. Für den Rest des Publikums hat so etwas aber nur bedingt seinen Reiz, und wirft die Frage auf, ob eine „klassische“ Bühnendekoration samt eventuell weniger hektisch geschnittener Live Bilder auf den großen Videowalls dem Konzerterlebnis nicht zuträglicher gewesen wäre.



(Photos: Florian Matzhold/Rock in Vienna)



Hetfield, Ulrich & Co spulten ein routiniertes Set herunter, dem es leider an einigen Klassikern, und leider auch an Feuer mangelte. Während von einigen Konzertbesuchern die Frage aufgeworfen wurde, warum der Headliner des ersten Tages mehr als eine halbe Stunde auf seinen Auftritt warten ließ, gab es auch die Stimmen jener, die meinten, dass so geniale Bands wie GOJIRA an diesem Tag ruhig länger hätten spielen dürfen.

 
Dennoch waren METALLICA ein würdiger Headliner, der einen gelungenen Schlusspunkt unter den gut besuchten ersten Konzerttag setzte.

 
Setlist METALLICA

Fuel
For Whom the Bell Tolls
No Remorse
King Nothing
Disposable Heroes
The Unforgiven II
Cyanide
Lords of Summer
Sad But True
The Frayed Ends of Sanity
One
Master of Puppets
Damage, Inc.
Fade to Black
Seek & Destroy

Zugaben

Creeping Death
Enter Sandman

 

(Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)


Der zweite Tag wartete schon früh mit fetzigen Auftritten von TURBONEGRO und DANKO JONES auf. Überraschend stark waren die Schweden THE HIVES, deren Sänger Pelle Almqvist das Publikum um den kleinen Finger wickelte, und auch als Double des österreichischen Außenministers eine gute Figur machen würde.

 

(Photos: Richman)


INCUBUS spielten als erster „Headliner“ eine grandiose Vorstellung, bei der lauthals mitgesungen wurde, und auf die viele Fans mit sichtlicher Vorfreude gewartet hatten. Auch MUSE rund um Mastermind Matthew Bellamy lieferten eine überdurchschnittlich gute Show ab. Zumal es hier kaum Abnützungserscheinungen gab, lag doch das letzte Österreichgastspiel der Briten schon drei Jahre zurück. Mit starkem Songmaterial in der Hinterhand lieferten MUSE von allen Headlinern die wohl überzeugendste, weil am wenigsten nach Denkmalpflege aussehende Performance ab. Da konnte man es dann auch verkraften, dass es beim Sound Anlaufschwierigkeiten gab, und es eine Weile dauerte, bis die Konzertlautstärke „Betriebstemperatur“ erreichte.

 

(Photos: Richman)



Bellamy unterstrich an diesem Abend einmal mehr seine herausragende Klasse als Musiker, und verneigte sich mit kurzen Riff-Einsprengseln vor LED ZEPPELIN und AC/DC. Papierschlangen zum Ende hin, und überdimensionierte Luftballone verabschiedeten schließlich unter den Klängen des Rausschmeißers „Knights of Cydonia“ das glückliche Publikum in eine laue Sommernacht.

Setlist MUSE

Psycho
New Born
Supermassive Black Hole
Dead Inside
Interlude
Hysteria
Map of the Problematique
Animals
Munich Jam
Apocalypse Please
Stockholm Syndrome
Plug In Baby
Mercy
Time Is Running Out
Reapers

Zugaben:

Uprising
Starlight
Knights of Cydonia





(Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)


Auch am dritten und letzten Tag hatte das Festival eine ausgewogene Auswahl an sehr guten Bands zu bieten. Dass die Musik von OPETH nur bedingt bei strahlendem Sonnenschein wirkt war zwar keine wirkliche Überraschung, wir freuten uns aber trotzdem, die Schweden mit ihrem sensationellen, im Jahre 2014 erschienen Album „Pale Communion“ im Gepäck wieder live zu erleben dürfen.

 

(Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)


Nicht wenigen blieb beim Auftritt des japanischen Girl-Metal-Vokal- und Tanzensembles BABY METAL der Mund offen stehen. Aufgrund der abwechselnd bespielten Bühnen gab es hier auch kaum ein Entrinnen, wollte man sich nicht in eine der blitzblank-sauberen Toiletten verkriechen. Dennoch kann man Su-Metal, MoaMetal und YuiMetal einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen, zumal so ein Auftritt ein Sommerfestival durchaus aufzulockern vermag.

 

(Photos: Florian Matzhold/Rock in Vienna)

 

Die Australier AIRBOURNE rockten in weiterer Folge stilgerecht kräftig nach vorne, machten die während BABY METAL verlorenen Meter wieder gut, und ebneten den Weg für die starken SABATON, und das deutsche Metalcore Abrissbirnenkommando HEAVEN SHALL BURN.

 

(Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)

LIMP BIZKIT konnten ja schon letztes Jahr auf dem NOVA ROCK mit einem guten Live-Set überzeugen. Überraschend, wie stark die Formation noch immer bei den Fans zieht. Auch dieses Mal lieferten Fred Durst und Verwandlungskünstler und Gitarrist Wes Borland ein gutes Set ab.

 

(Photos: Florian Matzhold/Rock in Vienna)



Den finalen Höhepunkt des Festivals bildeten schließlich die glorreichen KISS, die mit einer opulenten Show einen standesgemäßen Schlusspunkt unter einen drei Tage dauernden Konzertmarathon setzten. Hits wie „Detroit Rock City“, „Lick it Up“ oder „I Was Made for Lovin' You“ verfehlten ihre Wirkung nicht. So muss Rock ‚n’ Roll sein. Zumindest einmal im Leben sollte man diese Show gesehen haben. Da führt kein Weg dran vorbei. Auch wenn die Herren nicht verleugnen können, Teil einer perfekt geölten Marketing-Maschinerie zu sein, so hat ein abwechselnd Blut und Feuer speiender Gene Simmons noch selten seine Wirkung verfehlt. KISS sind einfach Kult, und waren ein würdiger Abschluss dieses Mega-Events.Tolle Show!

 

Setlist KISS

Detroit Rock City
Deuce
Psycho Circus
Creatures of the Night
I Love It Loud
War Machine
Do You Love Me
Hell or Hallelujah
(Let Me Know Outro-Tommy Solo)
Calling Dr. Love
Lick It Up
(with "Won't Get Fooled Again"… more )
Bass Solo
God of Thunder
Parasite
Love Gun
Black Diamond

Zugaben

Shout It Out Loud
I Was Made for Lovin' You
Rock and Roll All Nite

 


 

(Photos: Richman)

Abschließend bleibt zu vermelden, dass das Konzept aufgegangen ist. Die Location und das Ambiente stimmen. Maßgeblichen Anteil am Konzerterlebnis hatte vor allem auch das herrliche Sommerwetter. Logistische Feinabstimmungen im nächsten Jahr werden ein bereits gut funktionierendes Uhrwerk noch besser machen. Besonders bewährt haben sich die beiden nebeneinander stehenden Bühnen, die dem Besucher die Entscheidung zwischen verschiedenen Künstlern erspart haben. Ein Pluspunkt für Wien, den man so beim Rockavaria beispielsweise nicht umgesetzt hatte. Hier hat der Veranstalter eine Lösung für ein altbekanntes Festivalproblem gefunden.
 


Auch einige Fragen hat das Festival wieder aufgeworfen. Beispielsweise ob ein Bier auf einem Festival wirklich fünf Euro kosten muss, oder warum Auftritte von AIRBOURNE, die in den letzten zwölf Monaten mindestens dreimal so oft wie METALLICA in Österreich aufgetreten sind, dennoch nie langweilig werden, und einfach nur süchtig machen ... ?


Für Wiener ist die öffentliche Verkehrsanbindung mit der U6 natürlich mehr als praktisch. Wer das Glück hat, seinen Wohnsitz irgendwo entlang der U6 Linie zu haben, kann es eigentlich gar nicht bequemer treffen. Wie sehr dies wiederrum einem Festivalcharakter entspricht, ist natürlich wieder eine andere Frage. Und so verwunderte es nicht weiter, dass das Durchschnittsalter des Rock in Vienna Besuchers um einiges höher war, als jenes von NOVA ROCK Konzertbesuchern beispielsweise. Wer am Abend nach dem Konzertbesuch zurück ins (elterliche) Heim fährt, erlebt ein Dreitages-Festival sicher anders, als jemand der vor Ort campt (wobei natürlich auch beim RIV die Möglichkeit zum campen gegeben war). Ein Lob sei jedenfalls den Wiener Linien gegenüber ausgesprochen, die, soweit wir das beurteilen konnten, einen tollen Job gemacht, und für eine anstandslose Abwicklung gesorgt haben.

 

(Photo: Florian Matzhold/Rock in Vienna)



Fortsetzung folgt. Auch nächstes Jahr wird das Festival wieder am Start sein. Der Konzertbesucher und geneigte Fan darf sich also ab sofort über zwei Festivalwochenenden von Weltklasseformat in Folge freuen.