ADRIAN WEISS "Easy Game"

 




Wirklich fetzige Gitarrensoloalben „klassischer“ Prägung, die Laune machten und nicht reine Frickelorgien waren, gab es auch im Jahr 2014 nicht viele. Da fällt uns vor allem einmal BRUNO CAVICCHINIs grandioses „Mood Balance“ (zur Review), sowie MARTY FRIEDMANs"Inferno" und GUS Gs "I Am The Fire" (zur Doppel-Review) ein.

Aber auch das im Juli erschiene „Easy Game“ des in Deutschland lebenden US-amerikanischen Gitarristen ADRIAN WEISS darf sich in diese Sammlung einreihen, und soll seine Würdigung an dieser Stelle erfahren.

 


Weiss kann seine Einflüsse nicht leugnen, und lässt die glorreichen Zeiten der 80iger  Guitar-Hero Jahre, versetzt mit modernen Einflüssen, wiederauferstehen. „Easy Game“ ist eine Melange aus Rock, Fusion, Metal und Prog sowie Weltmusik-Einsprengseln. Der Mann versteht sein Handwerk, was auch zwei zweite Plätze bei der „Guitar Fight Club Convention“ in den Jahren 2010 und 2011 beweisen. Neben seiner Solotätigkeit ist Weiss auch noch bei den deutschen Bands GLORYFUL und FORCES AT WORK aktiv. Als Gastmusiker konnte er für „Easy Games“ Christian Muenzner (OBSCURA, NECROPHAGIST), Jens Basten (GLORYFUL, DEADSOIL, NIGHT IN GALES), und Thorsten Praest (COLDSEED, GUT) gewinnen.



Anspieltipps wären der mit perkussiven Elementen versetzte Opener „Awkward Silence“ (ANIMALS AS LEADERS lassen grüßen), das hochmelodische „Instant Relief“, oder aber auch die Schlussnummer „Offbeat Frankenstine“. Am stärksten rockt Weiss immer dann, wenn er über den Tellerrand lugt, und modernen Einflüssen in seinem Spiel freien Lauf lässt. ADRIAN WEISS tobt sich auf „Easy Game“ aus, behält dabei aber trotz aller technischer Finesse immer auch die Kompositionen im Auge. Feines Album, das Lust auf mehr macht.


Von diesem Mann wird man sicher noch einiges hören. Man darf gespannt sein, auf welche Ausflüge uns Adrian beim nächsten Mal mitnehmen wird. Wenn es, so wie auf „Awkward Silence“ angedeutet weitergeht, dann dürfen wir uns schon mal warm anziehen. Auf jeden Fall sollte man auch in Adrians beide anderen Bands GLORYFUL und FORCES AT WORK hineinhören, denn was ADRIAN WEISS auf „Easy Game“ zur Schau stellt, ist nur eine Facette seines Könnens.

 


Erscheinungsdatum: 6. Juli 2014
Label: Eigenverlag
    

Tracklist


1. Awkward Silence     4:44    
2.  Instant Relief      4:03    
3. Aim to Please    4:23    
4.  Immediate Measures    3:45    
5. The Last Days        4:16    
6. Hacienda (feat. Christian Muenzner)    4:11        
7. Camel's Dance    4:19    
8. Second Sunrise    3:35    
9. The Offering    4:21    
10. Easy Game    4:05    
11.  Night Owl    5:51    
12. Offbeat Frankenstine (feat. Manuel Korsakow)    5:15

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TRAEBEN "Looking at the Storm"


 


Eine der spannendsten Veröffentlichungen im Jazz Bereich kommt heuer aus den Niederlanden. Genauer gesagt aus Den Haag. "Looking at the Storm" heißt das dritte Studioalbum des Quartetts rund um den dänischen Gitarristen JENS LARSEN. Wir durften mit Jens, einem studierten Mathematiker, Computerwissenschafter und Absolventen des königlichen Musikkonservatoriums in Den Haag ein Interview führen, das ihr hier nachlesen könnt.

Aufgenommen wurde "Looking at the Storm" im Fattoria Musica Studio in Deutschland in nur zwei Tagen. Eröffnet wird das Album mit dem fetzigen „Do You Think They're Any Good?“ und der zweiten Nummer „Darkest Hour“, bei der Larsen mit geschmackvoll angezerrten Sounds aufhorchen lässt.

Das Quartett räumt Klängen viel Raum ein, spinnt musikalische Spannungsbögen immer hart an der Grenze zur Melancholie, aber nie in selbige wirklich hineinkippend. Besonders gut kann die Performance und der Sound von Bassist Olaf Meijer gefallen. So muss ein Kontrabass klingen. Aber auch die geschmackvollen Linien eines Søren Ballegaard am Saxofon und das tighte Spiel von Haye Jellema am Schlagzeug überzeugen auf ganzer Linie.

TRAEBEN präsentieren sich als perfekt eingespieltes Team, das es schafft, fern jeglicher Egotripps als Kollektiv zu überzeugen. Selten haben unisono Linien so fett geklungen. Man höre beispielsweise mal in „Better Than the Other One“ oder „No“ rein, bei der Larsen im Soloteil auch mal dezent abrockt. Gerne würden wir TRAEBEN auch mal live erleben. Denn was hier im Studio eingefangen wurde, dürfte live nochmal viel atmosphärischer rüberkommen.

Fazit: Kein Wunder, dass die internationale Musikpresse das Quartett mit Lob überhäuft. Von modernem Jazz-Anstrich und Europas Jazz-Geheimwaffe wird hier geschwärmt. Zu Recht. Unaufdringlich, und doch energiegeladen wird hier erfrischend über Klischees hinweg musiziert. TRAEBEN stoßen auf  "Looking at the Storm" in spannende und moderne musikalische Räume vor, und sind die Frischzellenkur für angestaubte Traditionen. "Looking at the Storm" gehört für uns zu den Überraschungen des Jahres 2014. Antesten empfohlen!

 



Erscheinungsdatum: 19. September 2014
Label: Jarr Records


1. Do You Think They're Any Good?     6:37    
2. Darkest Hour       7:09    
3.  Something to Lose      5:23    
4. Worlds Apart    5:12    
5. Better Than the Other One    5:16    
6. Jim        6:17    
7. Half Moon    6:05    
8. No    6:55    
9. Looking At the Storm    3:18

http://www.traeben.com

AC/DC „Rock or Bust“



 




Es gab dieser Tage kein Entkommen. Selbst vom Info Screen der Wiener U-Bahn leuchtete jedem der es wissen wollte, und auch allen anderen, eine „Rock or Bust“ Rezension entgegen. Tageszeitungen überschlugen sich mit Plattenkritiken des neuen Albums der von den in Schottland geborenen Brüdern Angus und Malcolm Young gegründeten Band.

 

Auch wenn wir von der intellektuellen Wucht so manch einer „Rock or Bust“ Kritik fast erschlagen wurden, wollen wir dennoch eine Review von AC/DCs neuem Album wagen, und es daher gewohnt platt angehen:

 


Angus & Co wollen es auf ihre alten Tage noch einmal wissen.


Fast mehr als das neue Album haben unlängst deren Bandmitglieder für Schlagzeilen gesorgt. Schlagzeuger Phil Rudd, der heuer seinen sechzigsten Geburtstag feiert, wurde vor den Richter geladen. Es stehen der Vorwurf des Drogenbesitzes und Mordandrohungen im Raum. Und Malcolm Young, einer DER bedeutendsten Rhythmusgitarristen den dieser Planet jemals hervorgebracht hat, leidet an Demenz.



„It’s a long way to the top if you want to Rock n Roll“ hörten wir erst unlängst aus dem Munde von AIRBOURNEs Joel O’Keeffe, der diese AC/DC Weisheit wie viele andere Musikschaffende auch verinnerlichen musste. Aber nur wenige sind wirklich im Superstar Himmel angekommen. Haben es „geschafft“, wie man sagt.  Angus & Co aber können von sich behaupten, „we've made it“ - definitiv und auf ewig.


Man kann jetzt Angus Young und seinen Mitstreitern vorhalten, dass sie sich einmal mehr nicht verändert haben, und Überraschungen ausgeblieben sind. Aber, Hand aufs Herz, kein Mensch erwartet von den sechzigjährigen Elder Statesmen of Rock, dass sie im x-ten Jahr ihres Bestehens irgend etwas anderes als den typischen Arbeiterklassen-Rock intonieren.



Ohnehin könnte niemand den gesellschaftlichen Wandel besser illustrieren, als diese Band, die ihrem Stil über Jahrzehnte treu geblieben ist, während um sie herum die neoliberale Abrissbirne soziale Gewissheiten und Traditionen einstampft, und Tyler Cowen & Konsorten zum Angriff auf die Durchschnittlichkeit blasen.



Von grundsätzlich musikphilosophischen und sonstigen Betrachtungen einmal abgesehen ist „Rock or Bust“ ein gutes Album geworden. Der Titelsong und insbesondere die Single „Play Ball“ sind Nummern mit mächtig Live-Potential und Wiederkennungswert. „Play Ball“ hat sogar das Zeug, es dereinst einmal auf ein Best-of Album zu schaffen. Midtempo Rocker („Hard Times“) sind ebenso an Bord, wie der obligatorische Blues-Rock Stampfer („Rock the Blues Away“). Am Ende steht jedoch die Frage, zu welchen Songs man in einer Musiksammlung, die das Attribut überdimensioniert trägt, zurückkehren wird? Und da haben „Baptism by Fire“ und „Rock the House“ mit seinen Retroanleihen noch reelle Chancen, noch einmal durch den Play Knopf reanimiert zu werden.



Wir ziehen daher einmal mehr den Hut und verneigen uns tief. AC/DCs Lebenswerk ist um eine Langspielplatte reicher geworden. Nummern wie „Highway to Hell“ oder „Hells Bells“ gehören zum Weltkulturerbe, genauso wie die unübertroffen legendäre „Live at Donington“ Show.



Wir freuen uns auf die kommende Tour, bei der Malcolm von dessen Neffe Stevie Young, der mittlerweile auch schon 58 Jahre zählt, vertreten wird, und bei der wir alle wieder mächtig für intergalaktische Ticketpreise abdrücken werden – so wir denn eines ergattern können.


Am Ende dieser Rezension kann daher nur, ja muss dieser Satz stehen: „For those about to Rock, we salute you!“

 




Erscheinungsdatum: 28. November 2014
Label: Smi Col (Sony Music)

1. Rock or Bust          3:03   
2. Play Ball            2:47   
3. Rock the Blues Away    3:24   
4. Miss Adventure        2:57   
5. Dogs of War        3:35   
6. Got Some Rock & Roll Thunder    3:22   
7. Hard Times        2:44   
8. Baptism By Fire        3:30   
9. Rock the House        2:42   
10. Sweet Candy        3:09
11. Emission Control    3:41

www.acdc.com

LAGWAGON „Hang“





„How do you suffer? Feel pain? Feel sorrow for anything?“ Die ersten Zeilen von „Burden of Proof“, der ersten Nummer auf „Hang“, verraten eigentlich nichts neues. Mit einer Ausnahme: Lagwagon sind nach 9 Jahren wieder mit einem regulären Studioalbum zurück. Endlich! Ansonsten wie gehabt: depressive Lyrics, High-Speed-Performance der Instrumentalisten und Frontmann Joey Cape's schwarzgallige Melodien lassen die 90er-Jahre Auferstehen. Nicht weil Cape`s kreative Ader versiegt wäre, nein, die Band liefert mit voller Inbrunst auf „Hang“ ihre Musik gewordene Autobiographie ab. Eine verhaltenskreative Reminiszenz an alle ihre vorangegangenen Tonträger. Quasi ein Best Of im neuen Zwirn. Wenn man den Status den sich die Band als Flaggschiff des 90er Jahre Pop Punk erarbeitet hatte, berücksichtigt, ist man versucht zu sagen: des Kaisers neue Kleider.



Nach Jahrzehnten exzessiver Touren und all den privaten Rückschlägen ist diese Band auf sympathische Weise gealtert, sich selbst immer treu geblieben. Das ist umso bemerkenswerter, als das die Kalifornier eine jener Bands sind, die den strukturellen Wandel der Musikindustrie ganz besonders zu spüren bekommen. Vom Verkauf ihrer Alben können sie, wie viele andere auch, längst nicht mehr leben. Ihr täglich Brot ist die Tournee. Das Pensum das sie dabei erfüllen ist zum Teil enorm, ihre Ausdauer beeindruckend, ihre Integrität bewundernswert (verlockende Angebote der Major-Labels gab es in Zeiten der melodiösen Punk Rock-Hausse ja genug, ihrem Indie-Label „Fat Wreck Chords“, blieben sie aber treu). Schön, dass es sie noch gibt! LAGWAGON sind offensichtlich an einem Punkt angelangt, an dem sie sich fragten: wieso das Rad neu erfinden? Wer sich auf dieses Konzeptalbum, dessen Konzept die akustische Historie der Band ist, einlässt, sollte sich dessen gewahr sein. Man geht quasi einen Vertrag ein.




In diesem Sinne ist „Burdon of Proof“ die Präambel dazu. Es öffnet dem Rezipienten das Tor zur Melancholia, zur Elegie, zu einer Welt voller Schmerz und Resignation, wie sie Joey Cape (hoffentlich nur) zeitweise empfindet. „Reign“ ist dann der große, (vor)laute Bruder von „Burdon of Proof“, ein krakeelender Marktschreier. Er bedient sich der Eingangsmelodie, umrahmt diese mit einem galoppierenden Schlagzeug und kompromisslosen Power-Riffs, ist quasi sein Sequel. Lagwagon in Höchstform. Nach dem leisen, zaghaften Präludium kommt „Reign“ wie eine Watsche daher, ohne Vorwarnung, geradewegs aufs Ohr, dass sie dann Tinitus-pfeifend und verdutzt zurück lässt.


Der Soundtrack zu einer Generation Y Gedenkparty: Dunkel der Text, fett das Riff, melodiös der Gesang. Wer schon zu breit in der Couch versinkt, nickt anerkennend mit dem Kopf im Takt, wer noch kann, räumt im Moshpit auf. Eine Hymne zum schwelgen. Auf der nächsten Nummer hört man erstmals klar die Vergangenheit. „Made of Broken Parts“ könnte ihrem Album „Trashed“ entsprungen sein. Mit „The Cog in the Machine“ glaubt man ihr Debüt „Duh“ zu hören. Es wird erstmals gravitätisch. Bass und Gitarren sägen schwer durchs Metall. Die Funken sprühen förmlich. Das Schlagzeug drescht wie Hammer auf Amboss. Heavy Metal á la Lagwagon. Dabei bleibt Cape's Gesang was er immer schon war. Ein Fanal. Der Verkünder des Unheils. Der Rufer in der Wüste: Ein Song wie eine Dystopie. Und wie selbige ist auch er gewöhnungsbedürftig. Mehrmaliges Anhören wird empfohlen. Gute Musik muss man sich manchmal auch erarbeiten. „Poison in the Well“ scheint auf den ersten „Blick“ die graue Maus auf „Hang“ zu sein. Der groovige Mittelteil mit elegantem Gitarrensolo, er klingt nach 60er und 70er Rock, belehrt aber eines Besseren. Er weckt übrigens Erinnerungen an Lagwagons letztes Studioalbum „Resolve“. Wer sich mit den Texten Joey Cape's auseinander setzt, weiß, der Mann macht sich Sorgen. „Hang“ beschreibt den Istzustand einer Welt, deren Realitäten ihm nicht zuletzt als Vater einer Tochter Angst bereiten. Legitim.

 


Im Anschluss folgt das, was man wohl als Monster dieses Albums bezeichnen sollte. Nicht zufällig in die Mitte des Albums gerammt, ist „Obsolete Absolute“ ein über 6 minütiges (bei einer Punk Band ist das lang :) ) Punk Rock-Melodram, das musikalisch als auch textlich alles vereint, was uns Joey Cape sagen will. Wenn „The Cog in the Machine“ die Lunge dieses Albums ist und „Reign“ die Watsche, dann ist dies hier das Herzstück. Gitarren wie Sirenen, die Rhythmen sind zu erst midtempo, stampfen im Staccato dahin, wirbeln Staub auf, dann etwas zügiger um danach in Lichtgeschwindigkeit zu verfallen. Die Gesangsmelodie macht fast Angst so düster und schön zu gleich. „Heritage has lost it's mind, we are undefined“. Wehklagen mit Lagwagon. Die Bridge erhellt dann für kurze Zeit die Gemüter, vertreibt die Nebelschwaden aus den beklemmten Seelen, bevor wieder Sirenen jeden auf den grauen Boden der Tatsachen zurückholen und erneut ein nahendes Ende zu verkünden scheinen. Bei Lagwagon gibt es kein Happy End, nicht auf „Hang“.


„Obsolete Absolute“ ist eine Mischkulanz einer 2014er Version der beiden Alben „Let’s Talk About Feelings“ aus den späten 90ern und „Blaze“ aus den frühen 00er Jahren; frank und frei in den Historienhäcksler katapultiert: Oben Geschichte rein, unten Neues raus gefetzt. Diese Nummer ist wie eine Armee die in ein Land einmarschiert, um es, einmal darüber getrampelt, brach liegend zurückzulassen. Es geht ähnlich dynamisch weiter. Kein zögern, kein zaudern. „Western Settlements“ fügt sich nahtlos in das Spalier der Wehklagenden ein. „These Western settlers, i have always warned them, just like your granddad said, never spend what you don't have. I am you, I am everything you own, I am you.“; während im akustischen Hintergrund die nun als Rhythmusfraktion zu einer Einheit verschmolzene Band wie eine Dampflokomotive unaufhaltbar auf einen zu rast.


„Burning Out in Style“ kommt fast optimistisch daher. Sehr melodiös, für einmal nicht in Dur. Ein Song wie ein sportlicher Cabriolet. Es ist dies aber nur akustische Camouflage für den Zynismus, der sich hinter all dem verbirgt. Cape's Weltschmerz macht auch hier keine Pause.


Seine Lyrics sind wie ein Moloch, ein Sog in den Sumpf der Traurigen. Es folgt „One More Song“. Ein rührender Abgesang an Joey Cape's besten Freund Tony Sly, musikalischer Wegbegleiter und ehemaliger Sänger von No Use For A Name, der im Sommer 2012 überraschend verstarb. Dieses Stück überrascht vor allem durch seine positiven Vibes, begleitet von einem wunderschön klingenden Piano. Es rockt. Mit „Drag“ wirds dann wieder brachial. Wer nicht Lagwagon- Sympathisant ist, den Novembernebel satt hat und dem Leben auch etwas positives abgewinnen will, hat wohl spätestens jetzt von „Hang“ genug. Quasi einen „Hang“-over.

 

„You Know Me“ besticht in Folge durch ein sanftes, verspieltes Intro, in dem Gitarristen und Bassist vorführen, was Harmonie bedeuten kann. Bevor die Band wieder alle Schleusen öffnet und eine gehörige Sound- Tsunami auf Ohr und Synapsen los lässt, als ob es kein Morgen gäbe. Sein Ende findet „Hang“ in „In Your Wake“. Der Wind ist zu diesem Zeitpunkt aber schon aus den Segeln. Der fulminant-furiose Zielsprint, bei dem sich die Band speedtechnisch noch ein letztes mal nah am Schallmauerdurchbruch bewegt, tröstet darüber ein wenig hinweg.


Fazit: gesellschaftskritische Sozialstudie mit Geschwindigkeitsübertretung. Bei der neuen Lagwagonplatte verblästs einem glatt die Frisur. Da hilft auch kein Dreiwettertaft. Gibt man sich „Hang“ sitzend vor dem Laptop, muss man sich zeitweise am Schreibtisch festhalten. Die geballte Wucht die einem entgegen schlägt, machts nötig. Auch wenn gegen Schluss hin, die Windstärke etwas nachlässt, der Tornado zur Böe wird und „Hang“ einer tonalen Redundanz anheim fällt.


Was bleibt ist die erfreuliche Erkenntnis, dass Lagwagon wieder da sind, es immer noch können und mit „Hang“ eine volle Breitseite für den geneigten Hörer, die geneigte Hörerin abliefern, der Schlagzeuger nach wie vor eine wahre Hochgeschwindigkeitsmaschine ist und Joey Cape unter den Punk Rockern mit seinen Lyrics zu den Intellektuellen zu zählen ist, denn in in Cape's Texten ist immer November. Wer also eine Halligalli-Drecksau-Party auf intellektuell machen will, auf den dystopischen Spuren von Cape und Co lustwandeln möchte und etwas für 90er-Jahre-Nostalgie in neuem Gewand übrig hat, der darf sich dieses Album kaufen. Alle anderen nicht.

 

 


Erscheinungsdatum: 28.10.2014
Label: Fat Wreck Chords

Tracklist:

1. Burden of Proof
2. Reign
3. Made of Broken Parts
4. The Cog in the Machine
5. Poison in the Well
6. Obsolete Absolute
7. Western Settlements
8. Burning Outin Style
9. One More Song
10. Drag
11. You Know Me
12. In Your Wake

http://lagwagon.com/
https://www.facebook.com/lagwagon?fref=ts
http://www.kerrang.com/24316/lagwagon-stream-new-album-hang-full/

ANDY WOOD „Caught Between The Truth and a Lie“

 

 Mit „Caught Between The Truth and a Lie“ beschert uns der US-amerikanische Gitarrist ANDY WOOD ein mit 24 Nummern vollgepacktes akustisch-elektrisches Doppelalbum, welches einen Höhepunkt gitarristischer Kunst im ausklingenden Jahr 2014 markiert.  


Stilistisch vollführt Wood dabei einen gekonnten Rundumschlag. Wood beweist eindrucksvoll, dass sein Talent sehr wohl mit Rock und all seinen Spielarten klarkommt. Mehr als alles andere ist Wood aber im Bluegrass verwurzelt. Kein Wunder, hatte er doch im zarten Alter von sechzehn Jahren beim WORLD CHAMPIONSHIP MANDOLIN CONTEST in Kansas den sensationellen zweiten Platz erreicht. Nur sechs Jahre später sollte Wood den GUITARMAGEDON-Bewerb in den USA gewinnen. 3.400 Gitarristen hatten an dem Wettbewerb teilgenommen.




Beeindruckend, wie versiert der Mann im Umgang mit Banjo und Akustikgitarre ist - Brent Mason und Albert Lee lassen grüßen. Und so ist die erste CD auch hauptsächlich den akustischen Spielarten gewidmet, und strotzt dabei vor technischen Kabinettstücken, aber, was viel mehr beeindruckt, auch mit richtig guten Kompositionen, so wie beispielsweise dem einfühlsamen „Time“ oder dem bluesigen „Dust and Ashes“. Sehr gelungen auch Woods Akustikadaption von LED ZEPPELINs „Fool in the Rain“.



Auf CD 2 geht’s dann ans Eingmachte. Hier stöpselt Wood die Gitarre in den Verstärker ein, und dreht den Regler bis zum Anschlag auf. Sehr schön das leitmotivisch geprägte „A Lie“, dessen Schwesterstück „The Truth“ schon das Akustikalbum als zweiter Track eingeleitet hatte. Woods große Stärke sind aber durch die Bank die leisen und einfühlsamen Töne, wie beispielsweise auf „The Hardest Goodbye“ oder „Reach“.


Musikalisch verdient Wood sich seine Brötchen als Sessiongitarrist, und wird einigen vielleicht als Leadgitarrist von CREED Sänger Scott Stapps Band ein Begriff sein. Gerne würden wir mehr über den Mann erfahren, der da so erwachsen und ausgereift musiziert. Vielleicht ergibt sich ja für uns einmal eine Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Künstler.



Fazit: „Caught Between The Truth and a Lie“ ist ein saustarkes Soloalbum, das nicht die üblichen ausgelutschten Pfade des Genres abgrast. ANDY WOOLD gelingt es, eigenständig seinen Weg im Dickicht der Gitarrenheroen zu gehen, und mittles seiner stilistischen Versiertheit den Hörer für sich einzunehmen. Ob Bluegrass, Fusion oder Rock: der Mann fühlt sich in jeder Stilistik wohl. Tolles Doppelalbum, das zum Entdecken einlädt.

 



Erscheinungsdatum: 29 September 2014
Label: HOLMZ Music/2014 Andy Wood Music, LLC

Disk 1: THE TRUTH

1. Everybody Loves You
2. The Truth… (A Lie)
3. How Mountain Girls Can Love
4. The White Tree
5. 3 For Her
6. Arrowhead Pass
7. Goodnight Moon
8. Alternate Crossings
9. Fool In The Rain
10. Time
11. Dust and Ashes

Disk 2: A LIE

1. Reach
2. (The Truth…) A Lie
3. Tokyo
4. Trapped in the past
5. Dracula and his cooky, spooky band
6. Of Elf and Man
7. The Hardest Goodbye
8. Got A Light?
9. For The Queen
10. The Four Horsemen
11. The Ballad of Ricky and Cal
12. Sugar Hill Road
13. The Cowboy Rides Away

http://andywoodmusic.com